Begeht man Apostasie wenn man absichtlich das Pflichtgebet unterlässt?

Antwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

zweifelsohne gibt es im Koran und den Überlieferungen zahlreiche starke Aufforderungen und Weisungen das Gebet zu verrichten, da das Pflichtgebet die Basis der diesseitigen und jenseitigen Glückseligkeit darstellt. Ebenso gibt es Ermahnungen bezüglich der Nachteile und Gefahren, die durch das Unterlassen des Gebets auftreten können. In einer Überlieferung von Abū Buraidah (r.a.) heißt es, dass der Prophet (s.a.s.) sinngemäß sagte:

Das, was uns und die Ungläubigen voneinander unterscheidet, ist das Gebet, zu welchem wir uns verpflichtet haben. Wer auch immer das Gebet verlässt, wird zum Ungläubigen (kāfir). (Nasāʾī, Ṣalāt, 8)

Über die genauere Bedeutung des Ausdrucks „wird zum Ungläubigen (kāfir)“ gibt es Meinungsdivergenzen unter den Gelehrten, ob dies sich auf denjenigen bezieht, der einfach nur das Gebet unterlässt, denjenigen, der das Gebet nicht ernst nimmt und es daher nicht verrichtet, oder denjenigen, der das Gebet leugnet und daher nicht verrichtet.

Während einige Gelehrte diesen Ausdruck als Bestimmung für denjenigen interpretieren, der das Gebet aus Ignoranz nicht verrichtet, findet sich bei anderen Gelehrten die Auffassung, dass erst die konkrete Leugnung des Pflichtgebets an sich zum Unglauben (kufr) führt.

Imam Aḥmad ibn Ḥanbal beispielsweise, schaut auf den äußeren Wortlaut und ist der Ansicht, dass die anhaltende Unterlassung des Gebets zum Unglauben (kufr) führt. Die Schāfiiten, Mālikiten und Hanafiten hingegen sind der Ansicht, dass nicht vom Unglauben einer Person die Rede sein kann, solange diese das Pflichtgebet an sich nicht leugnet.

In vielen islamischen Werken ist zu beobachten, dass entsprechend der Überlieferung:

Macht die Dinge leicht und nicht schwer. Und erfreut die Leute (mit froher Botschaft) und schreckt sie nicht ab. (Riyāḍ aṣ-Ṣāliḥīn, 637)

dazu aufgerufen wird, das Gebet mit informierenden, motivierenden, erfreuenden Ratschlägen und Weisungen den Menschen näherzubringen, sodass sie Gefallen am Gebet finden. Jemanden zum Gebet zu nötigen, ihn zu diskreditieren oder ihm gar mit Unglaube (kufr) zu drohen, wäre somit unproduktiv und würde zu mehr und mehr Distanzierungen und Abkehr vom Gebet und von der Religion insgesamt führen. Hierbei ist vor allem zu bedenken, dass das Gebet die innigste und stärkste Beziehung zwischen Mensch und Gott symbolisiert, welche von Liebe und Frömmigkeit geprägt ist.

So behandelt beispielsweise Bediüzzaman Said Nursi diese Thematik und antwortet auf typische Aussagen wie: „Das Gebet ist ja gut. Doch es Tag für Tag fünfmal täglich zu verrichten scheint viel. Da es somit nie aufhört, ist es ermüdend!“ mit Ratschlägen, die das Ego überzeugen, das Herz zufriedenstellen, der Seele Hoffnung geben, dem Verstand einleuchten, Zweifel aufheben und wegweisend sind, womit er eine produktive Methode verfolgt und zwingende und strafende Maßnahmen außen vor lässt. (Vgl. Sözler, S.243)

 

Fragen an den islam

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