Was bedeutet der Begriff Sirat al-Mustaqim?

Antwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Begriff aṣ-Ṣirāṭ al-mustaqīm bedeutet soviel wie „gerader, zielführender Weg“. Dieser gerade Weg wird auch häufig als „Weg der Mitte, welcher fern von jeglicher Übertreibung ist“ sowie als „zielgerichteter, geebneter Weg“ beschrieben. Auch der Ausdruck „Gerechtigkeit“ wird diesbezüglich angeführt. Folgende Textstellen sprechen diese Thematik an:

„Und du leitest ja wahrlich zu einem geraden Weg, Allahs Weg, Dem gehört, was in den Himmeln und was auf der Erde ist. Sicherlich, zu Allah nehmen die Angelegenheiten ihren Ausgang.“ (aš-Šūrā, 42:52-53)

„Und Wir würden sie einen geraden Weg führen. Diejenigen, die Gott und dem Gesandten gehorchen, befinden sich mit denen, die Gott begnadet hat, von den Propheten, den Wahrhaftigen, den Märtyrern und den Rechtschaffenen.“ (an-Nisāʾ, 4:68-69)

Der Gläubige rezitiert in jeder Einheit des Pflichtgebets die Sure al-Fātiḥa und bittet Gott um die Rechtleitung auf den geraden Weg (aṣ-Ṣirāṭ al-mustaqīm). Somit streben wir durch diese Bitte danach, unser diesseitiges Leben zielführend und geradlinig zu verbringen, um bereits hier die Vorkehrungen zu treffen, die ins Paradies führende sogenannte Ṣirāt-Brücke im Jenseits überqueren zu können, welche dünner als ein Haar und schärfer als ein Schwert ist und sich am Abgrund zur Hölle befindet. Es scheint wahrlich nicht einfach in dieser Welt all unsere Handlungen, Worte und Zustände auf Linie dieses geraden, geebneten Weges beizubehalten, jedoch ist die zielgerichtete Befolgung dieses Weges
und die Vermeidung irreführender Übertreibungen und Maßlosigkeiten unabdingbar für ein erfolgreiches Überqueren der Ṣirāt-Brücke im Jenseits.

So wie das Abkommen von der Ṣirāt-Brücke einen Sturz ins Höllenfeuer mit sich trägt, so bedeutet auch in unseren Handlungen und Angelegenheiten das Abkommen von der gottgefälligen Haltung die Sünde, ja die Auflehnung. Diese sind in unserem diesseitigen Leben förmlich Anzeichen für die Hölle, da sie eine Distanzierung von jenem Pfad markieren, durch dessen Befolgung die Zufriedenheit Gottes erlangt wird.
Darüberhinaus hängt auch die Glückseligkeit im diesseitigen, irdischen Leben davon ab, inwieweit man sich an diesem rechten, gottgefälligen Weg orientiert. Denn Ausgewogenheit und Geradlinigkeit sind essenziell, ebenso wie am Beispiel unserer Organe eine Balance gewährleistet sein muss, damit der Organismus problemlos funktioniert, wie etwa die Notwendigkeit von Puls und Blutdruck im Normalbereich, eine
angemessene Körpertemperatur oder die begrenzte Sensibilität sinnlicher Wahrnehmungen.

Es ist ebenfalls möglich, die Ausgeglichenheit und Tugendhaftigkeit von charakterlichen Eigenschaften als geraden Weg zu bezeichnen. Großzügigkeit ist etwa eine Tugend. Dadurch, dass man weder geizig noch verschwenderisch ist, wird man tugendhaft. Der Sinn für Gerechtigkeit, also weder anderen zu schaden noch aus Primitivität sich selbst schädigen zu lassen, ist ebenso eine solche Tugend. Zu den wichtigsten Aspekten der Tugend gehört auch das Gottvertrauen (tawakkul). Jemand der sich ausreichend bemüht was die eigene Anstrengung beziehungsweise die nötigen Kausalitäten betrifft, sich danach mit Blick auf das Resultat auf Gott verlässt und im Nachhinein - unabhängig vom
Ausgang der Angelegenheit - diese dann akzeptiert und somit Zufriedenheit gegenüber Gott zum Ausdruck bringt, hat die wahrhaftige Essenz des Gottvertrauens (tawakkul) erlangt.

Wenn der Gläubige „Leite uns recht durch den geraden Weg!“ sagend zu Gott in seinen Bittgebeten (Duʿāʾ) spricht, so bittet er dadurch um Aufrichtigkeit, Ausgeglichenheit, Zielstrebigkeit und Geradlinigkeit in allen Bereichen und Angelegenheiten. Gleichzeitig schließt er darin alle anderen Gläubigen mit in sein Bittgebet ein.

Fragen an den islam

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Fragen an den islam
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